Worum geht es bei dem Untertest „Emotionen regulieren“?
Laut Testersteller:innen soll damit erfasst werden, wie du in vorgegebenen Situationen mit Emotionen effektiv umgehen kannst. Dir wird bei jedem Beispiel eine Situation beschrieben, in der eine Person eine negative Emotion erlebt. Anschließend werden dir vier Möglichkeiten (A-D) geschildert, wie mit der negativen Emotion umgegangen werden kann. Davon gilt es die Möglichkeit auszuwählen, mit der die Person am besten ihr gewünschtes Ziel erreichen kann.
Merke: Es wird also nur eine Antwortmöglichkeit als richtig zu werten sein.
Die Testersteller:innen berufen sich bei der richtigen Antwortmöglichkeit auf die aktuellen Forschungsergebnisse, mit denen das Ziel in der jeweiligen Situation am besten erreicht werden kann. Schauen wir uns zum besseren Verständnis dazu ein Übungsbeispiel an.
Alexandra ist eine stressresistente junge Ärztin mit hoher fachlicher Qualifikation und großer Leidenschaft für ihren Beruf. Nach Abschluss ihrer Facharztausbildung für Kinder- und Jugendheilkunde bewirbt sie sich für eine leitende Position an ihrem Wunschkrankenhaus. Die Abteilung wurde neu gebaut und ist kurz vor der Fertigstellung. Für ihr Bewerbungsgespräch bereitete sich Alexandra gründlich vor und konnte bereits mit innovativen Ideen für die neue Station punkten. Bei ihrer Vorbereitung hat sie einiges Neues dazulernen können. Aus verschiedenen Gründen verschiebt sich der Termin bis zur Eröffnung der Station um ein Jahr nach hinten. Das zwingt Alexandra dazu, sich einen neuen Job zu suchen, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Sie ist traurig und enttäuscht. Was soll Alexandra deiner Meinung nach in dieser Situation machen?
- Ich treffe mich mit meinem besten Freund, der auch früher schon immer für mich da war.
- Ich überlege mir, warum es zu der Verzögerung bei der Fertigstellung der Station gekommen ist.
- Ich nehme die Situation wie sie ist und blicke nach vorne.
- Ich sage mir, dass ich durch die Vorbereitung meine Kenntnisse in diesem Bereich verbessern konnte.
Die richtige Antwortmöglichkeit ist in diesem Fall D.
Lösungsstrategie:
Jede Situationsbeschreibung beinhaltet Ziele, die diese Person erreichen möchte. Während des sorgfältigen Durchlesens der Angabe ist es als erstes also wichtig, das gewünschte Ziel der Person zu identifizieren. In unserem Beispiel ist Alexandras Ziel, möglichst schnell einen neuen Job zu finden, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können.
Im nächsten Schritt müssen wir herausfinden, ob die Person ausreichend Ressourcen hat, um mit der Situation entsprechend umzugehen. Hier gilt es auf Schlüsselwörter zu achten wie:
Die Person ist belastbar, stressresistent, ausgeschlafen, top fit, ausgeruht, gut erholt, leistungsfähig. Oder aber die Person ist am Ende ihrer Kräfte/Belastbarkeit, müde, ausgelaugt, überarbeitet, etc.
In unserem Beispiel wird Alexandra uns als stressresistente Ärztin beschrieben.
Das gibt uns die Möglichkeit herauszufinden, ob die Person in der Lage ist, in der beschriebenen Situation mit ihren Emotionen gut umgehen zu können. Eine ausgeschlafene, belastbare oder gut erholte Person wird demnach eher in der Lage sein, ihre Emotionen zu erkennen, zu akzeptieren und sie in etwas Positives umzuwandeln. Eine Person, die am Ende ihrer Kräfte ist, wird hingegen nicht diese Ressourcen haben und sich daher eher Hilfe holen oder mit einer vertrauten Person über die Situation sprechen.
Häufig erfährt man in den Aufgaben auch ein wenig über die Charakterzüge der handelnden Person. So könnte zum Beispiel beschrieben sein, dass eine Person sehr engagiert, einfühlsam oder ehrgeizig ist. In unserem Beispiel erfahren wir, dass Alexandra eine Ärztin mit hoher fachlicher Qualifikation und großer Leidenschaft für ihren Beruf ist. Da es bei diesem Aufgabenformat darum geht, sich in die Person hineinzuversetzen, können auch diese Informationen in die Wahl der richtigen Antwortmöglichkeit einfließen. Wenn wir also von einem berufstätigen Mann erfahren, dass dieser sehr engagiert und ehrgeizig ist, wird er in einer Situation, in der es darum geht, dass er Termine durch äußere Umstände eventuell nicht einhalten kann, alles geben, um sein Ziel – seine Termine einzuhalten – erreichen zu können.
Letztlich wird uns auch noch beschrieben, wie sich die Person in der beschriebenen Situation fühlt. Auch diese Emotionen haben für die Beantwortung der Frage Relevanz und sollten demnach berücksichtigt werden.
Regulationsmechanismen:
Wenn du das Ziel der handelnden Person identifiziert hast und dich versuchst anhand der gegebenen Informationen in die Person hineinzuversetzen, ist der nächste Schritt, sich gründlich alle Antwortmöglichkeiten (A-D) durchzulesen. Dabei wirst du feststellen, dass sich am Anfang einige Antwortmöglichkeiten richtig anhören. Auch wenn das subjektiv bzw. für dich in dieser Situation zutreffen mag, gilt es die Antwortmöglichkeit auszuwählen, mit der die beschriebene Person ihr Ziel am besten erreichen kann. Dafür musst du dich zwischen vier Regulationsmechanismen entscheiden. Um dir diese Entscheidung ein wenig zu erleichtern, haben wir dir eine Liste an verschiedenen Regulationsmechanismen ausgearbeitet, die dir dabei helfen soll.
Man spricht in der Psychologie in diesem Kontext von adaptiven Mechanismen (z.B. problemorientiertes Handeln, Stimmung anheben, Akzeptieren) und maladaptiven Mechanismen (z.B. Aufgeben, aggressives Verhalten, Selbstabwertung).
Merke: Lass dich davon aber nicht täuschen! Es geht NICHT darum, adaptive von maladaptiven Mechanismen zu unterscheiden, sondern vielmehr darum, sich in die Person hineinzuversetzen und mit den gegebenen Informationen über Ziel und derzeitige Emotionen den passenden Regulationsmechanismus zu identifizieren. So können auch per Definition maladaptive Regulationsmechanismen (z.B. Rückzug) der beste Weg zum Ziel der handelnden Person sein.
Positive Selbstinstruktion / Selbstbekräftigung
Durch das Vorsagen kurzer, motivierender Sätze (positive Selbstinstruktion) kann der Fokus auf die positiven Seiten einer Situation gelegt werden. Unter positiver Selbstbekräftigung versteht man außerdem die Erinnerung, dass man gut auf eine Situation vorbereitet ist.
Beispiele:
„Ich sage mir, dass ich viel gelernt habe und gut vorbereitet bin.“
„Ich sage mir mehrmals vor, dass ich es schaffen kann.“
Lösungsorientiertes Handeln
Beim lösungsorientierten Handeln geht es um konkrete Aktionen, die zur Änderung einer negativen Situation führen sollen.
Beispiele:
„Ich spreche die Person an und frage, wie ich helfen kann.“
„Ich aktualisiere meinen Lebenslauf, um mehr Jobangebote zu bekommen.“
Kognitives Problemlösen
Bei der kognitiven Problemlösung stellt sich die handelnde Person die Frage, wie die aktuelle Situation verändert werden kann und denkt über mögliche Lösungsansätze nach. Dabei werden noch keine aktiven Handlungen gesetzt.
Beispiele:
„Ich überlege mir, wie ich das Problem lösen kann.“
„Ich denke darüber nach, wie ich der Person helfen könnte.“
Umbewertung
Bei einer Umbewertung überzeugt sich die handelnde Person selbst davon, dass die erlebte Situation nicht so schlimm ist, wie sie auf den ersten Blick scheint. Es geht dabei darum, eine initial negativ wahrgenommene Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Beispiele:
„Ich sage mir, dass ich durch den Job viel gelernt habe und jetzt besser auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet bin.“
„Ich erinnere mich daran, dass ich mir jetzt eine schönere Wohnung suchen kann.“
Akzeptanz
Bei der Akzeptanz werden alle Emotionen (positive und negative) hingenommen und neutral betrachtet.
Beispiele:
„Ich akzeptiere die Situation wie sie ist.“
„Ich akzeptiere, dass Trauer ein Teil des Lebens ist.“
Expressive Suppression
Die Unterdrückung des Gesichtsausdrucks kann in bestimmten Situationen zielführend sein, wenn außenstehende Personen die eigenen Emotionen nicht mitbekommen sollen.
Beispiele:
„Ich bewahre einen ruhigen Gesichtsausdruck und lasse mir meine Angst nicht anmerken.“
„Ich versuche nicht zu zeigen, dass ich frustriert bin.“
Reflexion über die eigenen Gefühle
Bei der Reflexion über die eigenen Gefühle macht sich die Person Gedanken darum, warum sie sich in einer bestimmten Situation fühlt, wie sie sich fühlt.
Beispiele:
„Ich überlege mir, warum mich das wiederholte Fragen des Schülers ärgert.“
„Ich denke darüber nach, warum mich das Verhalten meines Vaters wütend macht.“
Physiologische Intervention
Durch die bewusste Kontrolle des Körpers wird der Fokus auf etwas anderes gelenkt und es tritt eine Ablenkung sowie eine Beruhigung ein.
Beispiel:
„Ich atme tief durch, um mich zu beruhigen.“
Rückzug
Durch einen Rückzug verlässt die handelnde Person die Situation, ohne direkt auf das Problem reagiert zu haben. Oft ist diese Strategie mit einem Ansatz des lösungsorientierten Handelns kombiniert.
Beispiele:
„Ich verlasse den lauten Raum und suche mir einen anderen Ort zum Lernen.“
„Ich verlasse das Restaurant und gehe mit meinem Freund in eine nette Bar.“
„Ich suche mir einen Kollegen, der statt mir mit dem Kunden reden kann.“
Aufgeben
Hier wird kein Versuch der Problemlösung unternommen. Die unangenehme Situation wird durchlebt und eventuell wird ein neuer Versuch gestartet.
Beispiele:
„Ich sage mir, dass das Prüfungsergebnis keine Rolle spielt, weil ich ohnehin erneut antreten darf.“
„Ich mache weiter wie bisher, weil es für eine Änderung jetzt zu spät wäre.“
Ablenkung
Durch die Ablenkung wird der Fokus weg von der aktuell erlebten Situation und auf andere Dinge gelegt. Man kann sich entweder selbst ablenken oder von anderen Personen abgelenkt werden.
Beispiele:
„Ich versuche während der Achterbahnfahrt an etwas anderes zu denken.“
„Ich treffe mich mit einem guten Freund, der mich immer schon gut ablenken konnte.“
Perseveration
Unter Perseveration versteht man das Wiederholen von Handlungen oder Denkvorgängen, ohne etwas daran zu ändern, bzw. sie anzupassen. Dabei ist wichtig, dass die Person die Handlung schon mehrmals durchgeführt hat.
Beispiele:
„Ich zeige die Aufgabe, die ich bereits erklärt habe, genauso nochmal vor.“
„Ich versuche erneut, durch lautes Rufen auf mich aufmerksam zu machen.“
Rationalisierung
Unter Rationalisierung versteht man die nachträgliche Rechtfertigung eines irrationalen Verhaltens. Die Person versucht dabei, eine Erklärung bzw. Begründung für bestimmte Handlungen und Verhaltensweisen zu finden.
Beispiele:
„Ich sage mir, dass die Person nur so gehandelt hat, weil sie wütend war.“
„Ich mache mir klar, dass die Person nicht erschienen ist, weil sie Angst hat.“
Verdrängung
Bei der Verdrängung ignoriert die handelnde Person die aktuelle Situation komplett und setzt sich nicht damit auseinander.
Beispiele:
„Ich schlucke meine Gefühle runter und versuche die Wut zu ersticken.“
„Ich gehe meiner Arbeit weiter nach und ignoriere meine Trauer.“
Aggressives Verhalten
Hier wird durch aggressive Verhaltensweisen (Geschrei, Drohungen, Beschimpfungen, bedrohliche Körperhaltung) versucht, ein Ziel zu erreichen.
Beispiele:
„Ich schreie den Mann an, damit er endlich ruhig ist.“
„Ich baue mich vor der Frau groß auf, damit sie eingeschüchtert ist.“
Auflösung der Beispielaufgabe:
Jetzt, wo du alle theoretischen Grundlagen kennst, hoffen wir, dass dir die Auflösung der Beispielaufgabe nun nicht mehr schwerfällt:
Alexandras Ziel ist, möglichst schnell einen neuen Job zu finden. Wir erfahren, dass sie eine stressresistente Ärztin ist und gehen daher davon aus, dass sie die Voraussetzungen und die psychischen Ressourcen hat, mit diesem Rückschlag gut umgehen zu können. Wir erfahren außerdem, dass Alexandra eine hohe fachliche Qualifikation und eine große Leidenschaft für ihren Beruf hat. Außerdem wissen wir, dass sie traurig und enttäuscht ist, weil sie die Stelle an ihrem Wunschkrankenhaus nicht annehmen kann. Indem sie sich klarmacht, dass sie durch diese Erfahrung einiges lernen und ihre Kenntnisse verbessern konnte, kommt sie ihrem Ziel – einem neuen Job – am ehesten näher. Es handelt sich dabei um den Regulationsmechanismus der Umbewertung.