Nuklide und Isotope
1. Einleitung
Alle Atome eines Elements haben die gleiche Ordnungs- bzw. Kernladungszahl. Diese Zahl gibt an, wie viele Protonen der Kern des jeweiligen Atoms enthält. Da das jeweilige Atom, sofern es nicht ionisiert ist, elektrisch neutral vorliegt, können wir von der Anzahl der positiv geladenen Protonen auf die Anzahl der negativ geladenen Elektronen schließen. So trägt Helium mit der Ordnungszahl 2, 2 Protonen im Kern und 2 Elektronen kreisen in den Orbitalen um diesen Kern. Zu den Protonen im Kern gesellen sich jedoch noch Neutronen. Sie weisen die gleiche Masse auf wie Protonen, tragen aber keine Ladung. Aus der Summe der Protonen und Neutronen ergibt sich die Massenzahl.
Ein Nuklid ist ein Atomkern mit einer bestimmten Protonen- und Neutronenzahl sowie einem bestimmten Energiezustand. Durch die Anzahl der Protonen wird die Atomsorte bestimmt. Nuklide, welche die gleiche Protonenzahl besitzen, aber eine unterschiedliche Neutronenzahl, bezeichnet man als Isotope des jeweiligen Atoms. Früher wurde der Begriff “Isotop” statt “Nuklid” verwendet, heute hat “Isotop” aber eine andere Bedeutung. Weitere Klassen von Nukliden sind unter anderem Isotone, Isobare und (Kern-)Isomere.
Man unterscheidet bei Nukliden also folgende Klassen:
Isobare: besitzen die gleiche Massenzahl, aber eine unterschiedliche Ordnungszahl.
Isotone: besitzen die gleiche Neutronenzahl, aber eine unterschiedliche Protonenzahl, wodurch sich sowohl Massen- als auch Ordnungszahl unterscheiden.
Isomere: besitzen die gleiche Massen- und Ordnungszahl, sie unterscheiden sich aber in ihrem Energiezustand.
Isotope: besitzen die gleiche Ordnungszahl, aber eine unterschiedliche Massenzahl.
2. Stabile und instabile Nuklide
Man unterscheidet zwischen stabilen und instabilen Nukliden. Instabile Nuklide werden auch als Radionuklide bezeichnet. Radionuklide zerfallen spontan unter Aussendung einer radioaktiven Strahlung. Dabei wandeln sie sich in stabilere Kerne um. Eine wichtige Eigenschaft der Radionuklide ist die Halbwertszeit. Diese gibt an, wie lange es dauert, bis die Hälfte der ursprünglich vorhandenen Kerne umgewandelt wurden. Je kürzer die Halbwertszeit ist, desto schneller zerfällt der Kern.
Sowohl stabile als auch instabile Nuklide kommen in der Natur vor. Sie können aber auch künstlich erzeugt werden. Vor allem künstliche Nuklide haben eine große Bedeutung in der Medizin, da sie meist eine sehr kurze Halbwertszeit haben. Künstliche Radionuklide werden zum Beispiel zur Lokalisation und Therapie von Tumoren verwendet.
3. Terminologie
Betrachten wir zwei Nuklide. Beide haben die Ordnungszahl 17, eines mit einer Massenzahl von 35, das andere mit einer Massenzahl von 37. Da beide Nuklide die Ordnungszahl 17 haben, können sie dem Element Chlor zugeordnet werden. Die beiden Nuklide unterscheiden sich aber in der Massenzahl und haben daher eine unterschiedliche Neutronenzahl. Es handelt sich also um Isotope des Elements Chlor.
Man sagt dann in etwa:
und sind isotop zueinander.
4. Eigenschaften von Isotopen
Offenbar definiert die Ordnungszahl, nicht aber die Massenzahl die chemischen Eigenschaften des Elements. Demzufolge unterscheiden sich Isotope eines Elements in ihren chemischen Merkmalen (fast) nicht. Bei Isotopen eines Elements mit sehr großen Massedifferenzen gibt es geringe Unterschiede im chemischen Verhalten. Diese Unterschiede sind jedoch vernachlässigbar klein, weshalb man oft vereinfacht sagt, Isotope sind chemisch identisch. Im Gegensatz dazu unterscheiden sich die Isotope allerdings in ihren physikalischen Eigenschaften. Man bezeichnet die Unterschiede im physikalischen (und auch chemischen) Verhalten als Isotopeneffekt.
Von manchen Elementen in der Natur findet man nur ein Isotop, man spricht hierbei von „isotopenreinen“ Elementen. Meistens jedoch, bestehen die natürlichen Elemente aus Gemischen mehrerer Isotope, was auch der Grund ist, warum Massenzahlen im PSE ungerade sind. Massenzahlen werden über einen gewichteten Durchschnitt der bekannten Isotope eines Elements bestimmt. Wegen ihrer chemischen Ähnlichkeit sind Isotope in der Natur nicht getrennt aufzufinden.
Zum besseren Verständnis des Isotopenbegriffs schauen wir uns folgendes Beispiel an: Etwa jedes 6000ste Wasserstoffatom (H) enthält noch ein Neutron in seinem Kern. Man nennt dieses Isotop auch Deuterium, noch seltener sind H-Atome mit 2 Neutronen (Tritium). Chemisch verhalten sich diese Atome alle wie Wasserstoff, sie weisen jedoch einige unterschiedliche physikalische Eigenschaften auf. Tritium ist anders als Protium und Deuterium instabil, es zerfällt mit einer Halbwertszeit von ca. 12,3 Jahren zu einem 3 He Isotop, also einem stabilen Helium-Isotop mit einer Massenzahl von 3 und gibt dabei ein Antineutrino und ein Elektron ab.
Abb. 1: Isotope des Wasserstoffs
5. Analytik
Um nun aber diese Isotope selektiv voneinander trennen und isolieren zu können und sie somit technologisch nutzbar zu machen, bedarf es eines sogenannten Massenspektrometers . Dieses Gerät ermöglicht es uns, zu ermitteln, welche Isotope in einem Element vorhanden sind, wie schwer sie sind und in welchem Mengenverhältnis sie vorliegen. Dies spielt vor allem bei der Festlegung der relativen Atommasse eines Elements eine wichtige Rolle, denn dazu muss das Verhältnis des natürlichen Isotopengemisches des entsprechenden Elements festgestellt werden. Durch Mittelung erhält man dann die besagte Größe.
Abb. 2: Massenspektroskopie
Die zu untersuchende Substanz wird verdampft und mit einem Elektronenstrahl beschossen. Durch das Einbringen der notwendigen Energie durch den Strahl können positive Ionen (Kationen) entstehen, die durch eine angelegte elektrische Spannung in Richtung eines Spalts beschleunigt werden. Nachdem die Kationen den Spalt mit einer hohen Geschwindigkeit durchflogen haben, müssen sie ein nachgeschaltetes Magnetfeld passieren. Dieses Magnetfeld zwingt geladene Teilchen auf eine Kreisbahn, deren Radius vom Verhältnis Ladung (q) zu Masse (m) abhängt. Dieses Funktionsprinzip ermöglicht eine örtliche Auftrennung der Ionen, wobei durch Änderung der magnetischen Feldstärke jedes Ion selektiv detektiert werden kann. Je höher die Konzentration eines Isotops ist, desto höher ist der Peak im Massenspektrogramm. Dadurch kann die Isotopenzusammensetzung bestimmt werden.
6. Anwendungen
Besonders in der Chemie und in der Medizin macht man sich die Existenz bestimmter Nuklide zunutze. In der Strukturaufklärung von chemischen Verbindungen spielen Nuklide eine maßgebende Rolle. Mittels Magnetresonanzspektroskopie (kurz: NMR für Nuclear Magnetic Resonance) kann man aufgrund des magnetischen Moments bestimmter Nuklide im angelegten Wechselstrommagnetfeld Informationen über die Struktur der Substanzen erhalten. Das 13 C- sowie das 1 H-NMR (Protium) sind zwei der am häufigsten angewendeten Varianten.
Wie oben kurz erwähnt, und im Kapitel „Atomphysik“ genauer ausgeführt, neigen einige Nuklide zum Zerfall und emittieren dabei jeweils eine charakteristische Art Strahlung. Dieser Umstand wird in der medizinischen Forschung, aber auch in der klinischen Diagnostik und Therapie genutzt. Die Nuklearmedizin verwendet heute hauptsächlich drei Typen von Radionukliden: 123 I und 131 I (Iod) in der Schilddrüsendiagnostik und -therapie, 99 Tc (Technetium) in den meisten anderen übrigen bildgebenden, nuklearmedizinischen Verfahren. In der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) werden die Positronenstrahler 11 C, 13 N, 15 O, sowie 18 F eingesetzt.